Einführung zur Ausstellung „Schwarz leuchtet“.
(Auszug)
Zara Tiefert-Reckermann
Kunsthistorikerin
Silva nigra, der schwarze Wald, war den römischen Legionären ein Grauen, das sie weiträumig umgingen. Noch bis ins 18. Jahrhundert hinein war der Schwarzwald im Wesentlichen einfach ein Stück „wilde Natur“ und im Grunde ist das größte deutsche Mittelgebirge bis heute noch zu entdecken. Dabei ist es interessant, zu sehen, wie unterschiedlich Dichter, Künstler, Denker oder eben Fotografen sich ihm annähern und mit ihm umgehen. „Der Schwarzwald“, schreibt Ulrich Beer, „braucht starke Persönlichkeiten, solche die ihn mit Phantasie betrachten, mit den Sinnen erleben, Einsamkeit und Schroffheit ertragen.“
JOSEPH CARLSON lässt den schwarzen Wald erleuchten. Er wählt für seine Arbeiten jedoch bewusst die Technik der Schwarz-Weiß-Fotografie. Dabei werden die Motive nicht nur in der Schwarz-Weiß-Technik aufgenommen, sondern von vorne herein Schwarz-Weiß gedacht. „Schwarz ist die einzige Farbe, die sich selbst genügt“, sagt Carlson. „Sie braucht keinen Komplementärkontrast, keine Harmonien, keine Akkorde, kein Farbklima. Sie holt sich ihre notwendigen Kontrastierungen aus sich selbst.“ Und so finden wir in Carlsons Bilder das Schwarz in all seinen Nuancen wieder. Dabei zeigt der Künstler eine ungeheure Sensibilität für die verschiedensten Grauwerte. Die Jahreszeiten in Carlsons Arbeiten sind fast sekundär. Der Kontrast entsteht bei ihm unabhängig, ob da ein Schneefeld oder eine grüne Wiese abgebildet wird. In Carlsons Fotografien lebt die Natur allein durch Struktur und Monochromatik. Das Licht ist dabei ganz zentral, denn erst das Licht macht das Schwarz sichtbar und bringt den schwarzen Wald zum Leuchten.
Joseph Carlson nimmt die Bilder aus dem Inneren des Schwarzwalds auf. Er lebt und arbeitet in Breitnau. Seine Fotografien entstehen aus dem Alltag heraus, im Herzen des Waldesinneren. Ein Wald – das zeigen Arbeiten aus den Serien „Schwarzlicht“ oder auch „Lichtgrau“ sehr eindrücklich – ist alles, was zwischen seinen Bäumen existiert, zwischen seinem dichten Unterholz und seinen Lichtungen, zwischen all seinen Lebenszyklen. Ein Wald ist auch ein Ort der Begegnung zwischen denen, die ihn betreten, und dem Unbenennbaren, aber Anwesenden, das hinter einem Baum oder im Unterholz wartet. Die Komplexität der sich kreuzenden Wege und Energien im Wald ist einzigartig und inspirieren Carlson zu seinen Arbeiten. Oder wie der Künstler selbst die Faszination Schwarzwald beschreibt: „Inspiriert haben mich dabei Geometrie und Asymmetrie, Kraft und Schönheit, Ordnung und Chaos, Vergängliches und Wandel, Ruhe und Leere, Dimensionen und Prozesse, das Dunkle und das Helle, Realität und Mythos.“ Carlson arbeitet mit einer digitalen Bildkamera. Dabei entstehen schlichte, ehrliche Aufnahmen der unmittelbaren Umgebung, in der er lebt. Unspektakulär, sachlich und authentisch – ohne malerische Effekte oder narratives Spektakel.
In Carlsons Fotografien herrscht oft ein Gefühl des Wartens. Doch was ist es, das da wartet? Ein Ereignis, das wir weder benennen noch wirklich zuordnen können. Und doch ist es da. In dieser Eigenschaft verwirren und verlocken seine Arbeiten die Phantasie des Betrachters.
In den Fotografien von Carlson sind Eingriffe des Menschen in die Landschaft durchaus erkennbar, obwohl dieser in Carlsons Werken nirgendwo leibhaftig präsent ist. Es sind verhaltene Spuren der Zivilisation, die auf die Abwesenheit des Menschen verweisen – ob das sorgfältig aufgestapelte Holzbeigen sind oder die mit Mähfahrzeugen gepflügten Ackerstücke. Diese seriell angelegten Bilder mutieren durch ihre streifenhaften Strukturen zu abstrakten Landschaften und werden zu differenzierten Orten, unabhängig von den tatsächlichen topografischen Fakten. Carlson schafft durch Reduktion eine Vertrautheit und Verbundenheit mit der Gegend, die er auf seinen täglichen Wegen visuell erschlossen hat.
Darüber hinaus thematisiert der Künstler in einigen Werken auch das Sterben des Waldes. So ist es kein Geheimnis, dass nur noch 40 % des deutschen Waldes gesund ist. Carlsons Arbeiten sind formal sowohl von den Strukturen des Schwarzwaldes als auch von den Veränderungen durch den Menschen geprägt.